ADB:Kauffmann, Angelica

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Artikel „Kaufmann, Angelika“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 466–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kauffmann,_Angelica&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 15:42 Uhr UTC)
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Kaufmann (Marie Anna) Angelika K., Malerin, geb. am 30. Oct. 1741 zu Chur, wohin ihr Vater, der Maler Johann Joseph K. (aus Schwarzenberg im Bregenzerwalde) von dem dortigen Bischofe berufen war, um ein Gemälde für dessen Kirche auszuführen. Dort hatte er sich mit Cleopha Luz verheirathet, ging aber schon im September 1742 nach Morbegno im Veltlin, wo er sich beinahe zehn Jahre mit Porträtmalen beschäftigte. Hier unter der [467] zärtlichen Pflege der Eltern, deren einziges Kind sie blieb und unter dem Einflusse einer schönen und großartigen Natur entwickelte sich Angelika in rascher und erfreulicher Weise. Ohne absichtlich zur Kunst angeleitet zu werden, trat schon früh und gleichsam spielend der Trieb zur Malerei in ihr hervor, welchen der Vater, ganz im Gegensatze zu dem harten Ismael Mengs, ohne alle Strenge so zu leiten wußte, daß ihr die Arbeit stets als Freude und Erholung erschien, die sie allen anderen Vergnügungen vorzog. So kam es, daß sie schon in einem Alter von neun Jahren durch wohlausgeführte Pastellbilder allgemeine Bewunderung erregte, als ihr Vater 1752 nach dem schönen Como übersiedelte, wo zur seitherigen Kunstübung auch noch das Studium der Wissenschaften und die Pflege der Musik und des Gesanges hinzutrat. Einige Zeit mag sie selbst wol innerlich unschlüssig gewesen sein, welchem Kunstberufe sie zu folgen habe, wenigstens stellte sie sich auf einem ihrer späteren Bilder wie zweifelnd und unschlüssig dar zwischen den allegorischen Gestalten der Musik und der Malerei. Letztere trug schließlich den Sieg davon, wozu gewiß der große Erfolg mithalf, den sie in ihrem elften Jahre durch das Bildniß des damaligen Bisthumsverwesers von Como errang, und welches der Anlaß zu zahlreichen anderen Aufträgen wurde. Eine neue Welt ging ihr auf, als der Vater 1754 nach Mailand zog und sie die Werke der besten Meister aus der lombardischen Schule studiren und copiren konnte; auch hier fanden ihre Porträtbilder große Anerkennung, nachdem sogar der Gouverneur Reginald von Este und die Herzogin von Massa-Carrara ihr gesessen waren. Mitten unter diesen Erfolgen überraschte sie der Tod ihrer Mutter (am 1. März 1757) und ein Antrag aus der Heimath, die Pfarrkirche zu Schwarzenberg auszumalen. Vater und Tochter gingen bald an die Arbeit: K. übernahm die Deckengemälde, während Angelika die zwölf Apostel (nach Piazzetta) an den Wänden in Fresco ausführte – ein gewiß seltenes Beispiel, daß zarte Frauenhand in dieser Technik sich bethätigte. Nach Vollendung dieser Arbeit, die eine sehr warme Empfehlung an den Cardinalfürstbischof Roth von Constanz zur Folge hatte, kam eine bewegte Zeit, in welcher häufiger Wechsel des Aufenthaltes und mannigfaltige Bestellungen Hand in Hand gingen, die Malerin aber sehnte sich nach Italien: über Mailand und Parma (wo sie Correggio’s Fresken entzückten) wandte sie sich 1762 nach dem kunstreichen Florenz und im folgenden Jahre nach Rom, wo sie bald mit Winkelmann in Berührung und Freundschaft gerieth; sie zeichnete und radirte (1764) den großen Kunstgelehrten: Das Bild ist in Ausdruck und Behandlung so sicher, so charakteristisch, daß man wol glauben möchte, das Blatt sei das Werk eines gereiften Mannes und nicht eines achtzehnjährigen Mädchens. Hier wurde ihr jene schwärmerische Auffassung des klassischen Alterthums eigen, welche Oppermann die „Sentimentalität der Antike“ benannte, ihr weich angelegtes Wesen versenkte sich in liebevollster Begeisterung in diese ideale Welt. Bald rief sie der Auftrag, einige Gemälde der königlichen Gallerie in Neapel zu copiren, nach dieser zauberischen Stadt; ihre Stellung war hier ebenfalls eine hochgeachtete, sie wurde mit Aufträgen von hochgestellten Personen und namentlich von reichen Engländern überschüttet. Von Rom ging sie 1765 zum Studium der Carracci’s nach Bologna und Venedig, wo sie durch Tizian, Paul Veronese und Tintoretto ihre kunstgeschichtlichen Erfahrungen abschloß. Eingeladen von der Lady Wentworth reiste Angelika 1766 mit dieser Dame nach England, ihre Aufnahme daselbst war über alle Erwartung glänzend; mit der Prinzessin von Wales wetteiferte die stolze Aristokratie, Alles wollte von ihrer Hand gemalt sein. Das von Josua Reynolds gemalte Bildniß (gestochen von Bertalozzi, C. Morace u. A.) zeigt Angeliken in diesem Stadium. Leider fiel sie in die Netze eines Hochstaplers, welcher damals unter dem Namen eines Grafen Horn in den höchsten Kreisen sich bewegte. Angelika schloß eine [468] Ehe, welche jedoch mit der Entlarvung des Gauners am 10. Febr. 1768 gerichtlich getrennt wurde, nachdem der Betrüger auch ihre Kasse beträchtlich gebrandschatzt hatte. Obwol Angelika nach dieser bittersten Erfahrung sich aus der hohen Gesellschaft zurückziehen wollte, hatte doch das Interesse an ihr und ihrer Kunst sich so wenig verloren, daß ihr sogar nach jenem niederschlagenden Ereignisse noch verschiedene, vortheilhafte Heirathsanträge gemacht wurden, die sie indeß alle zurückwies, mit gleicher Hingabe und gleichem Erfolge ihrer Kunst ausschließlich zugewendet. Erst nach einem fünfzehnjährigen Aufenthalte in England, als die Aerzte dem kränkelnden Vater die Rückkehr nach Italien anriethen, entschloß sie sich auf dessen Wunsch, mit dem Maler Antonio Zucci (geb. 1728 zu Venedig), welcher schon längere Zeit in London sein Atelier aufgeschlagen hatte, am 14. Juli 1781 eine glückliche und ungetrübte Ehe einzugehen. Alle drei kehrten nun wenige Tage darauf nach dem Festlande zurück, besuchten ihre Angehörigen in Schwarzenberg, wo Angelika den Armen ihrer Heimath große Liebesspenden reichte und ließen sich in Venedig nieder, wo indessen schon am 11. Januar 1782 der Vater in Angelikas Armen starb. Sie nahm mit ihrem Manne dann festen Wohnsitz in Rom, wo ihr Haus bald den Mittelpunkt alles geistig bedeutenden Lebens bildete. Sie verkehrte viel, auch brieflich, mit den größten Männern der Zeit. Während seines Aufenthaltes in Rom 1787 lernte sie Goethe kennen; sie malte dessen Bildniß in ganzer Figur; ebenso später auch noch den baierischen Kronprinz Ludwig (Schleißheimer Galerie). Im J. 1795 starb ihr Gatte. In den bedrängten Zeiten der französischen Revolution erlitt sie an ihrem Vermögen eine nicht unbeträchtliche Einbuße; doch auch hierüber half ihr die gleichmäßige Arbeitslust und die Liebe, mit welcher sie ihrer Kunst oblag, hinweg. Nach einem kurzen Aufenthalte in Florenz und Mailand, wohin sie eine Reise zu ihrer Erholung 1803 gemacht hatte, kehrte sie wieder nach Rom zurück, wo sie am 5. November 1807 verschied, während der Bildhauer Joh. Peter K. (s. u.) welcher ihre Büste nochmals im Pantheon aufstellte, ihr Gellert’s „Ode an die Sterbenden“ vorlas. – Angelika K. ist eine heitere, anmuthige, liebenswürdige Erscheinung, welche der Wiedergeburt der deutschen Kunst vorherging und selbe nächst A. Raph. Mengs und Asmus Carstens vorbereitete, welche deshalb ebenso sehr überschätzt wie später gegen alles Verdienst verkleinert und vornehm übersehen wurde. Sie stand in ihrer Zeit und theilte mit Klopstock und Geßner den sentimentalen Zug, doch ist ihre Farbe warm und kräftig. Am wenigsten glücklich war sie in eigenen historischen Compositionen, wozu ihre Mittel nicht ausreichten (z. B. Lionardo da Vinci’s Tod, Hermanns Rückkehr aus der Varusschlacht, die Mutter der Gracchen, Brutus und seine Söhne, die Nymphe Egeria den König Numa Pompilius berathend, Leander und Hero, Coriolan u. s. w.). Am meisten excellirte sie im Porträt, in stillen Allegorien, desgleichen wurden ihre Copien der Nachraphael’schen Meister vielfach gesucht und bewundert. Auch in Fresco und mit der Radirnadel (34 Blätter) hat sie sich, immer mit Glück versucht und rühmlich hervorgethan. Ihr eigenes Porträt malte sie vielmals, z. B. in Florenz, München, auch in der kleidsamen Tracht ihrer Heimath (Aug. Testa inc.), dann mit Porträtähnlichkeit als Bacchantin, Sappho, Sophonisbe, Juno, Diana, Vestalin u. s. w. Eine Handzeichnung, auf welcher sie sich unschlüssig zwischen Malerei und Musik wählend abbildete, schickte sie ihrer Freundin Schöpfer 1802 nach München, welche das Blatt mit Kreide auf Stein zeichnete und als vervielfältigte Handzeichnung nach Rom sandte, wodurch Senefelder’s Erfindung in Italien bekannt wurde. – Die Zahl der nach ihren Bildern und Zeichnungen gelieferten Stiche (von Barolozzi, Berger, [469] Boydell, Bryer, Burck, Cataneo, Delatter, Dickinson, Durmer, Facius, Folo, Green, Hauston, Karattoni, Knight, Laurie, Rafael Morghen, Picot, Porporati, Schiavonetti, Scorodomoff, Smith, Taylor, Wrenk, Wynre Ryland, Zucchi u. a.) beläuft sich an 600 Blätter.

Vgl. Rossi, Vita di Ang. Kauffmann. Firenze 1810. Auszüge im Stuttg. Morgenblatt 1811. Nr. 181–83 u. übers. von A. Weinhart. Bregenz 1814. Stuttg. Morgenblatt 1837. Nr. 75, S. 298 (ein Brief von Klopstock aus Hamburg 14. März 1780). Nagler 1838. VI, 536 ff. E. Guhl, Die Frauen in der Kunstgeschichte. 1858 S. 163. A. Oppermann, Aus dem Bregenzer Wald. 1859 S. 58 ff. (abgedruckt in Stern und Oppermann: Leben der Maler. 1864 S. 257 ff.). Wurzbach, Biogr. Lexikon 1864. XI, 44–58. J. E. Wessely in Dohme’s Kunst u. Künstler. II. B. (XXXIX.).