ADB:Müller, Ferdinand Freiherr von

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Artikel „Müller, Ferdinand Freiherr von“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 498–500, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Ferdinand_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 22:46 Uhr UTC)
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Müller: Ferdinand Jacob Heinrich Freiherr von M., Botaniker und Forschungsreisender, einer der besten Kenner der Flora Australiens, ist am 30. Juni 1825 zu Rostock als Sohn bürgerlicher Eltern geboren. Nachdem er die Schule seiner Vaterstadt besucht hatte, trat er in Husum als Lehrling in eine Apotheke. Nach Beendigung seiner Lehrzeit bezog er die Universität Kiel, wo er sich dem Studium der Pharmacie und der Naturwissenschaften, insbesondere der Botanik widmete. Da sich während seiner Studienzeit bei ihm Anzeichen einer beginnenden Lungenschwindsucht bemerklich machten, der auch seine Eltern erlegen waren, beschloß er auf ärztlichen Rath, ein warmes und trockenes Klima aufzusuchen. Er begab sich deshalb 1847 nach Australien, wo er sein ganzes übriges Leben zubrachte und in der That völlige Genesung fand. Sein deutsches Vaterland hat er niemals wiedergesehen. Zunächst trat er in Adelaide als Gehü1fe in eine Apotheke ein. Später unternahm er zu Studien- und Sammelzwecken zahlreiche botanische Ausflüge durch Victoria und die übrigen Theile Südaustraliens, namentlich aber in die damals noch wenig bekannten australischen Alpen. Durch mehrere wissenschaftliche Veröffentlichungen in der Linnaea und andern botanischen Zeitschriften erregte er die Aufmerksamkeit der Fachgenossen, und so wurde er 1852 zum Regierungsbotaniker für die Colonie Victoria ernannt. Als solcher zog er unermüdlich und meist allein zu allen Jahreszeiten im Lande umher und stellte Hunderte von neuen Pflanzenarten fest. 1853 durchforschte er von neuem die australischen Alpen (Reisebericht in Petermann’s Mittheilungen 1855, S. 353–360), im folgenden Jahre die Grampians und die benachbarten Bergketten, sowie die Uferlandschaften der Flüsse Murray und Darling. Die gewonnenen Ergebnisse faßte er in dem Werke „Definitions of rare or hitherto undescribed Australian plants (Melbourne 1855)“ zusammen. 1856 betheiligte er an Gregory’s Expedition nach dem inneren und nördlichen Australien, um Spuren des verschollenen Reisenden Leichhardt aufzusuchen (Bericht in Petermann’s Mittheilungen 1857, S. 199–203). Nach der Rückkehr von dieser Reise, von der er wiederum viele neue Arten mit heimbrachte, wurde er zum Director des neubegründeten botanischen Gartens in Melbourne ernannt, den er in wenigen Jahren zu einem der berühmtesten derartigen Institute erhob. Besonders verdient machte er sich um die Acclimatisation fremder Culturpflanzen. Daneben unternahm er nicht nur selbst wiederholt ausgedehnte Sammelreisen, sondern sendete auch nach den entlegeneren Landschaften des Erdtheils, selbst bis nach Neu-Guinea, wissenschaftlich geschulte Hülfsarbeiter. Außerdem gab er in rascher Folge eine große Anzahl meist in englischer Sprache geschriebener, umfangreicher Werke und Abhandlungen heraus. 1858 begann er seine „Fragmenta phytographiae Australiae“, Beschreibungen neuer Pflanzenarten mit Abbildungen, von denen bis 1882 elf inhaltreiche, jedoch wenig übersichtlich angelegte Bände vollendet wurden. 1860 und 1865 erschienen die beiden ersten Abtheilungen des großen, leider unvollendet gebliebenen Werkes: „The plants indigenous to the Colony of Victoria“. 1864 veröffentlichte er „The vegetation [499] of the Chatham-Islands“ und „Analytical drawings of Australian mosses“, Studien über die in Australien vorkommenden Moose. 1865–1873 arbeitete er in hervorragendem Maaße an George Bentham’s „Flora Australiana“ mit. 1873 trat er von seinem Amte als Director des botanischen Gartens zurück, da im Parlament der Colonie seine Thätigkeit mißfällig beurtheilt worden war. Doch behielt er seine Stellung als Regierungsbotaniker bei. 1875–1886 veröffentlichte er „Descriptive notes on Papuan plants“, eine Beschreibung der Pflanzen, die William Mac Gregor in den Gebirgen Neu-Guineas gesammelt hatte; 1876 sein am meisten verbreitetes Werk „Select plants readily eligible for industrial culture or naturalisation in Victoria“, das gegen 3000 Nutzpflanzen aufzählt, die für die Einführung und Cultur in Victoria und anderen Ländern mit subtropischem Clima geeignet erschienen, und das in 20 Jahren 9 Auflagen erlebte (eine deutsche Uebersetzung von Edmund Göze: „Auswahl von außertropischen Pflanzen, vorzüglich geeignet für industrielle Culturen und zur Naturalisation, mit Angabe ihrer Heimathsländer und Nutzanwendung“ erschien 1883 in Kassel); 1879 „The native plants of Victoria, succinctly defined“, eine kleine und populär gehaltene Excursionsflora, sowie in demselben Jahre eine „Eucalyptographia, a descriptive atlas of the Eucalypts of Australia and the adjoining islands“, worin er auf die Eigenschaft der Gummibäume hinwies, durch ihr außergewöhnliches Verdunstungsvermögen das Clima zu verbessern und das Wechselfieber zu vermindern, und dadurch die massenhafte Anpflanzung dieser Bäume in den Mittelmeerländern und andern Fiebergegenden veranlaßte. Dieser Monographie schlossen sich in den folgenden Jahren noch 4 weitere Arbeiten über australische Pflanzenfamilien an: „Description and illustrations of the Myoporinous plants of Australia“ (1883), „Iconography of Australian species of Acacia and cognata genera“ (1887), „Iconography of Australian Salsolaceous plants“ (1889—1891) und „Iconography of Candolleaceous plants“ (1892). Dazwischen erschienen noch folgende umfangreiche Werke: „Plants of North-Western Australia“ (1881), „Systematic census of Australian plants“ (1882–1889), eine nach dem natürlichen System geordnete Aufzählung aller australischen Pflanzen, und „Observations on new vegetable fossils of the Auriferous drifts“ (1883). Außer diesen selbständigen Werken veröffentlichte er eine große Zahl von Aufsätzen in vielen botanischen und geographischen Zeitschriften Australiens, Englands und Deutschlands. Ein besonderes Verdienst erwarb er sich auch durch die Hülfsbereitschaft und Freigebigkeit, mit der er oft unter großen persönlichen Opfern europäische Museen, botanische Gärten und Forscher durch geschenkweise Ueberlassung von lebenden und getrockneten Pflanzen, von Sämereien sowie gelegentlich auch von paläontologischen, zoologischen, mineralogischen, anthropologischen und ethnographischen Objecten unterstützte. Kein Monograph wendete sich vergeblich an ihn, wenn es galt, seltenes und anderwärts nicht zu erreichendes australisches Material für seine Studien zu erlangen. Für diese Liebenswürdigkeit erntete er auch in reichem Maaße Anerkennungen und Ehrenbezeugungen, auf die er zeitlebens großen Werth legte, sodaß ihm gelegentlich der Vorwurf der Eitelkeit nicht erspart blieb. Die Universität Kiel ernannte ihn zum Doctor der Medicin. Der König von Württemberg verlieh ihm den Freiherrntitel, die Königin von England die Baronetswürde. Mehrere Akademien und gegen 150 gelehrte Gesellschaften ernannten ihn zum correspondirenden oder Ehrenmitgliede. Die Geographen haben ihm zu Ehren einen Fluß in Queensland, einen Gipfel in Spitzbergen, eine Bergkette in Neu-Guinea, einen Wasserfall in Brasilien und einen Gletscher in Neuseeland benannt. Er blieb unverheirathet, führte ein [500] äußerst einfaches, ganz der wissenschaftlichen Arbeit zugewandtes Leben und starb am 9. October 1896 zu Melbourne.

Illustrirte Zeitung Nr. 1855 vom 18. Januar 1879, S. 46 (mit Bild). – Leopoldina XXXII (1896), S. 183; XXXIII (1897), S. 15 bis 17 (Hollrung), S. 142–150 (Drude). – Globus LXX (1896), S. 308. – Gardener’s Chronicle 1896, S. 464. – Geographical Journal VIII (1896), S. 522–523. – Jahreshefte des Vereins für Naturkunde Württembergs LIII (1896), S. LXXII (Lampert). – Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft XV, Generalversammlungsheft S. 56 (Warburg). – Naturwissenschaftliche Rundschau 1897, S. 103 (Gräber). – Sitzungsberichte der math.-phys. Classe der kgl. bayrischen Akademie der Wissenschaften XXVII (1897), S. 436–440 (v. Voit). – Geogr. Jahrbuch XX (1897), S. 476 (Wolkenhauer).