ADB:Metsys, Quentin

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Artikel „Metsys, Quentin“ von Joseph Eduard Wessely in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 21 (1885), S. 521–523, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Metsys,_Quentin&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 23:52 Uhr UTC)
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Metsys: Quentin M., berühmter vlämischer Maler, geb. zu Löwen 1466, † zu Antwerpen 1530. Sein Vater, Josse M., ein Kunstschlosser, erzog auch seine beiden Söhne Josse und Quentin für sein Gewerbe. In Löwen glaubt man noch einzelne Schlosserarbeiten dem Quentin zuschreiben zu dürfen, so die Krone eines Brunnens beim Dome, den Deckel eines Taufbeckens in der Peterskirche. Quentin zog mit seiner Mutter nach des Vaters Tode, der 1482 starb, nach Antwerpen. Nach Mander beschäftigte er sich während einer Krankheit mit dem Illuminiren kleiner Holzschnitte. Eine Liebesgeschichte soll ihn dann ganz der Kunst erobert haben; der Vater seiner Geliebten, der Kunstfreund van Tuylt, wollte seine Tochter nur einem Künstler geben und so legte M. den Hammer nieder, um den Pinsel zu ergreifen. Man wollte ihn zum Schüler des Rogier van der Weyden machen, aber dieser starb zwei Jahre vor Metsys’ Geburt. Nach den Werken seiner berühmten Vorgänger wird er sich wol gebildet haben. Im J. 1491 wurde er als Meister in die Gilde aufgenommen. Nun konnte er seine Alice als Frau heimführen. Man wollte den kleinen Roman in das Bereich der Mythen verweisen, aber die Unterschrift auf seinem Porträt, das 1572 im Verlag von H. Cock erschien, bezeugt gleichfalls, daß M. aus einem Schmied durch Liebe ein Maler geworden sei. M. steht auf der Grenzscheide zwischen der alten und neuen Kunst. In den kirchlichen Compositionen wurzelt er zwar noch in den Traditionen der van Eyck’schen Schule, aber das naturalistische Element drängt sich überall in die mittelalterlichen Formen hinein. M. war nicht in Italien gewesen. Im J. 1508 erhielt M. von der Gilde der Schreiner den Auftrag, ein großes Altarwerk mit Flügeln für ihren Altar in der Antwerpner Kathedrale zu malen, für das er 300 Gulden erhielt. Das Mittelbild stellt die Kreuzabnahme in dem Moment vor, da die Freunde Jesu im Begriffe stehen, dessen Leichnam in Linnen zu wickeln und zu begraben. Der Leichnam zeigt große Magerkeit, aber auch fleißige Studien nach todten Körpern. Der Schmerz in den Köpfen ist getreu der Wirklichkeit abgelauscht, aber eine Verklärung verstand der Künstler demselben nicht zu geben: dafür ist der Meister in der Farbe über seine Vorgänger erhaben. Auf den Flügeln ist das Marterthum der beiden Johannes (Bapt. und Evang.) dargestellt. Das Kunstwerk verbreitete den Ruf des Meisters in den weitesten Kreisen; man pilgerte ordentlich zu demselben nach Antwerpen. Philipp II. von Spanien bot vergebens einen hohen Preis dafür, ebenso Elisabeth von England. Damit es nicht doch verloren gehe, kaufte es von der Gilde die Stadt um 1500 Gulden, für welche Summe sich jene ein Haus bauen konnte. So blieb es in der städtischen Sammlung bis auf den heutigen Tag. Um dieselbe Zeit entstand ein anderes Hauptwerk des Meisters für die St. Peterskirche zu Löwen. Wer es gestiftet hat, ist unbekannt. Der Maler wird kaum ein so umfangreiches Werk seiner Vaterstadt geschenkt haben. Das Mittelbild stellt die Verwandtschaft Christi dar und während sich beim obigen Bilde herber Schmerz über die Köpfe der Freunde Jesu ausbreitet, empfindet und sieht man hier die stille selige Freude des beglückenden Beisammenseins. Auch Farbe, Beleuchtung, Umgebung stimmen damit überein. Ueberraschend wirkt bei einem Meister, der Italien nicht gesehen hat, der von Säulen getragene Renaissancebau. Die vier Flügelbilder enthalten Darstellungen aus der Legende von Joachim und Anna. Auf einem Flügel steht: Quintin Metsys Screef dit. 1509. Wir haben deshalb auch den Meister: Metsys, wie er sich selbst schrieb, genannt und die anderen Schreibweisen: Matsys, Massys, Messys unbeachtet gelassen. Das Altarwerk befindet sich seit 1879 im Museum zu Brüssel. Als die dem heiligen Donatian geweihte Kirche in Brügge abgebrochen wurde, fand man da ein Bild unseres Meisters vermauert (wahrscheinlich um es vor den Bilderstürmern zu retten). Dieser Umstand bewahrte das Bild in ursprünglicher Frische. Es stellt Maria mit dem Kinde über dem Halbmonde schwebend dar, oben sieht [522] man Gott Vater und den heiligen Geist, unten David mit der Harfe, zwei Propheten und zwei Sibyllen, deren eine den Kaiser Augustus auf die Madonna aufmerksam macht. Besonders an den Frauenköpfen ist eine große Zartheit der Ausführung zu bewundern. Das Bild befindet sich jetzt in der Eremitage zu Petersburg. In die idealen Gebiete der Kunst drängten sich immer mehr die realen Auffassungen hinein, wie es die Zeit gebieterisch verlangte. Das Porträt hatte bereits lange eine Brücke zu der neuen Kunstweise gebahnt. Wenn M. auf dem Gebiete der Kirchenmalerei noch alten Traditionen getreu bleibt, im Porträt ist er ein vollkommen moderner Meister. Es ist zu bedauern, daß uns derselbe kein Bildniß seiner Frau Alice hinterlassen hat, die ihn durch Liebe zur Kunst führte. Die Ehe scheint glücklich gewesen zu sein; sie gebar ihm fünf Söhne und eine Tochter, starb aber um 1507. Ein Jahr darauf ehelichte M. Katharina Heyens, die drei Söhne und vier Töchter gebar und den Meister überlebte. M. muß eine wohlgeordnete Hauswirthschaft geführt haben; als A. Dürer 1521 Antwerpen besuchte, galt M. für den ersten Meister der Stadt. Von Bildnissen seiner Hand sind die beiden in den Uffizien zu Florenz zu nennen, die den Künstler und dessen zweite Frau darstellen, treffliche Bilder ganz in moderner Auffassung, ebenso charakteristisch aufgefaßt als schön gemalt. Das Bild der Frau trägt das Jahr 1520 und in demselben Jahre wird wol auch das Pendant entstanden sein. M. ging auf diesem Wege weiter; wie er im Porträt das einzelne Individuum in seinem Charakter auffaßte, so versuchte er es weiter in der Charakterisirung einer ganzen Menschenklasse oder Gattung (genre), indem er den Charakter dieser entweder in einer Einzelperson darstellte oder ihn in der Handlungsweise mehrerer Personen auszudrücken strebte. So entstand das Genrebild. Daß M. sehr wohl das prosaische Alltagsleben mit kundigem Auge anzusehen verstand, zeigte er episodenartig schon an einzelnen seiner Altarwerke und wir erinnern nur an die Henker, die bei der Marter des heiligen Johannes Evang. das Feuer unter dem Kessel schüren und die als vollkommene flämische Bauern aufgefaßt sind. Zum Losschälen solcher Episoden von dem Kirchenbilde und zur Umwandlung derselben in selbständige Bilder war nur ein Schritt. M. that ihn. Antwerpen hatte einen großen Handelsverkehr und M. wird Gelegenheit gefunden haben so manche Menschen zu beobachten, denen Geld und Geldgewinn über Alles ging. Er führt uns wiederholt mit seiner Kunst in diese Kreise hinein. Da ist das Bild des Louvre in Paris: „Der Banquier und seine Frau“, beschäftigt empfangenes Geld zu sortiren und zu probiren. Der Künstler wendet einen schon von Eyck benutzten Gedanken an, uns Personen vorzuführen, die bei der Construction des Bildes nicht sichtbar sind, indem er einen Spiegel hinlegt, in welchem sich die andere Hälfte des Gemaches miniaturartig abspiegelt. Das Bild ist bezeichnet: „Quinten Matsys schilder“, 1518. Ein im Gegenstand verwandtes Bild besitzt die königliche Samlung in Windsor. Auch hier sind wieder zwei Personen mit Haufen Geldes beschäftigt; es dürfte, wenn auch das Schabkunstblatt von R. Earlom nach diesem Bilde die Unterschrift hat: „The Misers (Die Geizhälse), doch die Bezeichnung „Die Wucherer“ die zutreffendere sein. – Auch das Dresdener Cabinet besitzt ein Genrebild unseres Künstlers, „Die Processirenden“. Ein Mann und ein Weib, die beiden streitenden Parteien, erscheinen vor dem Richter; der Mann, der reich ist, will den Richter mit Geld bestechen, das Weib hingegen will dem Beamten auf einem Seitenwege beikommen, indem es dem Weibe des Richters eine Henne und Eier zusteckt. Man sieht, daß der Künstler nicht zaghaft den reichen Stoff, den ihm die lebendige Umgebung bot, anfaßte, sondern bereits novellenartig denselben durchzuführen verstand. Auch noch einen Gegenstand führte der Künstler ein, der durch andere Künstler unzählige Variationen erfuhr. Ein verliebter Alter macht energisch einer jungen [523] Dirne den Hof, die ihn so lange beschäftigt, bis sie dessen Börse entwendet hat. Das Bild befand sich in der Sammlung Pourtalés. M. wurde am Begräbnißplatz der Karthäuser bestattet und ihm später ein Denkmal gesetzt.